Mittwoch, 10. Juli 2013

Nazi-Kollaborateure 07 - Die IRA (2010)


Im Sommer 1936 zeichnete sich eine Umorientierung der bislang vorwiegend auf die Machtergreifung in Südirland fixierten IRA ab. Am 15. August veröffentlichte der "Daily Telegraph" ein Interview mit Séan Russell, dem neuen Stabschef der IRA. Der weitsichtige Russell erkannte die Zeichen der Zeit und erklärte, man werde eine militärische Auseinandersetzung zwischen Großbritannien und Deutschland auszunutzen wissen. Die Ereignisse der Jahre 1937 und 1938 trieben die Umorientierung voran. Fianna Fáil rückte politisch immer weiter nach rechts und glich sich 1938 mit den Briten aus, so daß die republikanische Bewegung ohne jeden Verbündeten dastand.

Schon am 13. Mai 1937 sprengte ein IRA-Kommando ein britisches Königsstandbild in Dublin in die Luft. Der Besuch des britischen Königspaares in Nordirland wurde Anlaß der ersten großangelegten Terroroffensive in den Six Counties. In Belfast scheiterte ein Bombenanschlag auf die Monarchen. Am 8. Dezember 1938 übertrugen die letzten Überbleibsel des 1921 gewählten Zweiten Dáil, des letzten von der IRA anerkannten irischen Parlaments, alle Exekutivbefugnisse auf die IRA Army Executive, eine Art Politbüro mit 12 Mitgliedern. Diese von der Army Convention gewählte "Regierung" wiederum bestimmte die Mitglieder des Army Council, des IRA-Oberkommandos. In militärischen Dingen operierte das Oberkommando völlig autonom, stellte also die eigentliche Machtzentrale der Untergrundarmee dar. Die IRA schloß sich wieder mit dem politischen Republikanismus zusammen, der nun rasch von ihr absorbiert wurde. Fortan stellte die Army Executive in republikanischen Augen die einzig legitime Regierung Irlands dar.

Russell orientierte die Strategie der IRA neu. Die britischen Kolonialherren sollten nun dort getroffen werden, wo sie am verwundbarsten waren - in England selbst. Hauptziele waren militärische Einrichtungen und die Infrastruktur, wobei Menschenleben möglichst zu schonen waren. Die geplante Offensive erhielt den Namen S-Plan - S wie Sabotage. Schottland und Wales wurden von den Operationen ausgenommen, da deren Bewohner als keltische Brudervölker galten. Eine Minderheit im Oberkommando plädierte dafür, den operativen Schwerpunkt nach Nordirland zu verlegen. Hier hatte jedoch vor allem die IRA-Einheit in Belfast schwere Schläge infolge nachrichtendienstlicher Unterwanderung hinnehmen müssen und befand sich nachhaltig in der Defensive.

Am 12. Januar 1939 ließ die Army Executive dem britischen Außenminister Lord Halifax ein Ultimatum zukommen. Das IRA-"Politbüro" erklärte sich zur einzig legalen Regierung Irlands und forderte den Abzug aller britischen Truppen von der Insel. London wurden vier Tage für die Abgabe einer entsprechenden Absichtserklärung gegeben. Diese erfolgte aus begreiflichen Gründen nicht, und am 16. Januar detonierten sieben Sprengsätze in britischen Kraftwerken, die u.a. London, Manchester und Birmingham mit Strom versorgten. Bis zur Jahresmitte verübte die IRA 127 Anschläge in England (davon 57 in London), wobei es nur zwei Todesopfer gab. Im Juni 1939 verabschiedete das irische Parlament zur Beruhigung der Briten die Offences against the State Act - Militärtribunale und Internierungslager sollten Südirland endlich befrieden. Die Treason Act drohte bei besonders schweren Fällen staatsfeindlicher Untergrundaktivitäten die Todesstrafe an.

Seit Anfang 1939 stand Séan Russell in Verbindung mit Carl Heinz Petersen, dem Irlandkorrespondenten des Deutschen Nachrichtenbüros in Dublin. Das Reichspropagandaministerium begann jedoch erst im Mai mit einer zaghaften Unterstützung der Republikaner, nachdem die Briten eindeutig Stellung für Polen und gegen Deutschland bezogen hatten. Anfang Juni reiste Russell als Sondergesandter der republikanischen Bewegung in die USA. Er versuchte, die Amerika-Iren zum Widerstand gegen die probritische Politik Roosevelts zu mobilisieren. Mittlerweile hatte das RPM durch die Fichte-Gesellschaft Fühlung zur IRA aufgenommen, und auch die deutsche Abwehr trat auf den Plan. James O´Donovan reiste im Sommer dreimal nach Berlin und Hamburg und erhielt Geld und Waffen ausgehändigt. Als Gegenleistung bot er Berlin für den Kriegsfall die Einrichtung eines Funkdienstes an.

Im Juli 1939 traten auch in Großbritannien verschärfte Antiterrorgesetze in Kraft. Als am 25. August eine gegen eine Transformatorenstation in Coventry gerichtete Operation ihr Ziel verfehlte, detonierte der Sprengsatz inmitten einer belebten Straße. Es gab 5 Tote und 70 Verletzte. Die britische Öffentlichkeit war entsetzt, und zur Beruhigung richteten die Briten 1940 mit Peter Barnes und James McCormack zwei Unschuldige hin, was den prodeutschen Gefühlen in Irland Auftrieb gab.

England dämmte die IRA-Kampagne nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mit massiven Polizeimaßnahmen ein, und auch Valera ging gegen die IRA vor, da er sein Land nicht als Aufmarschbasis sehen wollte. Die Bombenkampagne der Republikaner gefährdete die irische Neutralität und konnte einen idealen Vorwand für einen britischen Einmarsch darstellen. Die IRA überzog ihr Konto endgültig, als sie am 23. Dezember 1939 das Armeedepot Phoenix Park/Dublin ausräumte. Bis Kriegsende wurden 6 IRA-Aktivisten hingerichtet, 3 weitere hungerten sich im Gefängnis zu Tode. Irland inhaftierte 500 Republikaner ohne und 600 mit Gerichtsverfahren. Der Höchststand wurde 1943 mit 653 Internierten erreicht.

Der in den USA vom Kriegsausbruch überraschte Russell kehrte im Januar 1940 nach Europa zurück. In Genua ersuchte er den deutschen Generalkonsul, ihn zur Organisation des antibritischen Kampfes nach Irland zu schleusen. Während die Abwehr dem Vorschlag positiv gegenüberstand, warnte Deutschlands Gesandter Hempel aus Dublin, die Briten könnten die IRA-Aktivitäten als Anlaß für eine militärische Besetzung des für den Schutz der transatlantischen Seewege bedeutenden Irland nutzen. Unterstaatssekretär Woermann, Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, warnte Reichsaußenminister Ribbentrop, ein Bündnis mit der IRA habe erst Erfolgsaussichten, wenn London in Schwierigkeiten sei. Russell wurde nach Deutschland gebracht und dort vom Sonderbeauftragten Veesenmeyer betreut. Immerhin griff die deutsche Propaganda nach der Hinrichtung von zwei IRA-Aktivisten in Birmingham im Februar das Thema Irland begierig auf.

Abwehrchef Canaris machte sich im Sommer 1940 selbständig und beauftragte Hauptmann Goertz, eine Kooperation mit den Iren einzuleiten. Mit kleinen Yachten und Kuttern wurden wiederholt deutsche Agentenkommandos und Spezialeinheiten der "Brandenburger" nach Irland gebracht. Diese Kommandos steuerten - stets behindert durch mangelnde Landeskenntnis und Dilettantismus - funktechnisch Luftangriffe, befreiten abgesprungene Flieger und sprengten u.a. ein Kraftwerk bei Edinburgh in die Luft. Die Zusammenarbeit mit der IRA gestaltete sich infolge der Eigenwilligkeit der Iren wenig produktiv. Als Lösung wurde der Transport Russells nach Irland angesehen, aber dieser erlag am 14. August 1941 auf der Überfahrt an Bord eines deutschen U-Bootes einem Herzinfarkt. Zu allem Überfluß flog kurz vorher der kommissarische IRA-Stabschef Séan Hayes als britischer Doppelagent auf.

Gegen den Willen des Auswärtigen Amtes wollte die Abwehr Russell nach Irland schleusen, um die IRA zur Unterstützung der irischen Truppen gegen eine etwaige britische Invasion vorzubereiten. Im Falle einer deutschen Landung in England oder Irland sollte die IRA das Landungskorps unterstützen. Ribbentrop unterrichtete jedoch im Spätsommer durch Hempel die irische Regierung, das Reich beabsichtige keinesfalls eine Invasion auf der Insel. Deutschland werde keinerlei Aktionen unternehmen, solange Irland seine Neutralität bewahre. Es gebe auch keine Fünfte Kolonne der Deutschen auf der Insel. Im November verhafteten die Briten den mittlerweile in Nordirland befindlichen Goertz, der unter maßloser Überschätzung seiner Möglichkeiten davon träumte, mit Hilfe der IRA 8000 Mann gegen England zu mobilisieren. Das bedeutete auch das Ende von Planungen, eine deutsche Militärmission zur IRA zu entsenden. Mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 war eine Zusammenarbeit in den Augen der IRA ohnehin als rechtslastiges Abenteurertum diskreditiert. Bis 1944 stellte die deutsche Gesandtschaft in Dublin eine nachrichtendienstliche Drehscheibe des Krieges dar, was letztlich zur völligen Isolation Irlands durch Briten und Amerikaner führte.

http://dfiles.eu/files/z31lctv80

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